Nutzer des IE 6 sehen sie im Internet immer häufiger: mehr oder weniger diskrete Hinweise, dass der genutzte Browser veraltet wäre und man doch bitte die aktuelle Version einspielen, oder aber einen alternativen Browser einsetzen solle.
Gegen solche Hinweise habe ich nichts einzuwenden. Schließlich ist der IE 6 nun wirklich kein aktueller Browser mehr und aufgrund seiner vielen bekannten Fehler bei der Darstellung von standardkonformen (X)HTML / CSS ist es für den Webdesigner nur unter großem Aufwand möglich, einen Internetauftritt so zu gestallten, dass er sowohl in standardkonformen Browsern und im IE 6 vernünftig aussieht. Außerdem sollte man auch die zum Teil recht eigenwillige Implementierung des DOMs und von JavaScript nicht vergessen, die den IE 6 auch für JavaScript Entwickler schnell zum Alptraum werden lassen.
Türsteher
Heute kam mir jedoch eine sehr restriktive Variante des bekannten “Rette deine Seele und nutze einen moderneren Browser” Hinweises unter: Und zwar wollte ich kurz einen Eintrag auf Jan Welkers Blog lesen, der meine Aufmerksamkeit erregt hatte. (Anmerkung: Ich schätze Jan wirklich sehr! Dieser Beitrag soll sich nicht persönlich gegen ihn richten!) Nach dem Öffnen des Beitrags im Browser bekam ich jedoch nicht die gewünschte Information zugesicht, sondern wurde automatisch auf eine Seite weitergeleitet, die mir freundlich erklärte, dass man meinen Browser nicht möge und ich doch bitte mit einem neueren oder anderen Browser wieder kommen soll. Ab diesem Augenblick war ich also ausgesperrt. Ausgesperrt, weil der Rechner an dem ich saß (es war nicht mein Rechner) von der dortigen IT Abteilung nur den IE 6 installiert bekommen hatte.
Nun wusste ich also endlich, wie sich meine Freunde vor 15 Jahren gefühlt haben müssen, als der Türsteher vor der Disco sagte “Du kommst hier nicht rein! Deine Klamotten gefallen mir nicht!”. Tja, damals lachte ich noch über die Jungs, die die Kleidung noch morgens von ihrer Mutter herausgelegt bekamen und mit diesem Outfit dann halt nicht in die Disco kamen. Heute war ich es jedoch, der im wahrsten Sinne des Wortes dumm aus der Wäsche guckte.
Gegenwind
Etwas missmutig über das gerade geschehene wechselte ich auf Twitter – wo ich im Übrigen nur einen Hinweis “your browser is outdated” erhielt – und fragte Jan, oder die Idee mit dem Aussperren wirklich für so gut hält.
Leider bekam ich bis jetzt noch keine Antwort Jan, dafür aber von anderen bekannten Gesicherten der Community, die zu meiner Verwunderung Jans Strategie vollstens unterstützten und zum Teil sogar das gleiche taten.
Grob zusammengefasst lauteten die Argumente:
- Wenn mehr große Webseiten genauso agieren würden, wäre der IE 6 endlich weg
- Der Aufwand für ein IE 6 konformes Layout ist im Vergleich zum Nutzen viel zu groß
Beide Argumente kann ich sehr gut nachvollziehen – und um eines ganz klar zu stellen: Ich bin kein Fan des IE 6. Auch mich hat er, wie wahrscheinlich die meisten Webentwickler bereits viel Zeit, Nerven und Haare (nein, Haare nicht: die waren schon vor dem IE 6 weg ;-) gekostet.
Wie denn sonst?
Trotzdem halte ich wenig vom aktiven Aussperren von interessierten Nutzern (m)einer Website. Für weitaus besser und vor allem anwenderfreundlicher halte ich es in den meisten Fällen, im Falle des IE 6 einen Hinweis einzublenden, dass der genutzte Browser nicht aktuell ist, was dazu führen könnte, dass sowohl Darstellungs-, als auch Funktionsfehler auftreten.
Über diesen Weg habe ich niemanden den Zugriff auf die von mir bereitgestellten Informationen verwehrt und Nutzer veralteter Browser trotzdem über mögliche Fehler auf der Seite, welche durch ihn verschuldet sind, informiert.
Wenn ich nämlich kurz überlege, warum jemand noch den IE 6 einsetzen könnte, dann fallen mir folgende Gründe ein:
- Geringe Computerkenntnisse: Der IE 6 war vorinstalliert und der Anwender ist sich entweder nicht bewusst, dass er updaten sollte, oder aber traut sich dies nicht zu.
- Falsche Informationen: Ein befreundeter “Computerspezialist” hat dem (laienhaften) Anwender erzählt, dass der IE 6 der schnellste Browser sei, weil er schon so alt ist und deshalb auf moderner Hardware besonders schnell läuft.
- Faulheit: Der Anwender weiss zwar, dass der IE 6 fehlerhaft ist, hat ihn aber aus dem selben Grund noch installiert, aus dem er auch keine regelmäßigen Backups macht und keinen bzw. keinen aktuellen Virenscanner hat.
- Gewohnheit: Der Anwender nutzt den IE 6 bereits seit Jahren, kommt gut mit ihm zurecht und will deshalb gar nicht updaten.
- Abhängigkeiten von alten, aber wichtigen Intranet Anwendungen: Der Anwender würde gerne updaten, kann es aber nicht, weil seine geschäftskritische Intranetanwendung nur vernünftig unter dem IE 6 läuft (ja, das soll es auch geben ;-)).
- Die IT-Abteilung: Der Anwender würde gerne upgraden, hat gar keine Rechte dies zu tun. Die IT-Abteilung hingegen weigert sich gegen das Update, weil sie dann vielleicht eine Liste unzähliger Intranetanwendungen auf Kompatibilität testen und den neueren IE direkt auf unmengen von Clients ausrollen müsste.
Wenn ich nun auf diese Liste Blicke frage ich mich, welche Kategorie ich wirklich von meinem Internetangebot ausschließen möchte. Drei und Vier wären vielleicht geeignete Kandidaten, der ganze Rest jedoch eigentlich nicht. Und selbst bei drei und vier frage ich mich, ob man hier nicht doch die Freiheit gewähren sollte mit einem Browser der Wahl zu arbeiten.
Wenn das Ergebnis dann anschließend nicht vernünftig aussieht: Selber schuld!
Mein Appell
Mein Aufruf an die Betreiber von Webangeboten lautet daher: Schließt keine interessierten Anwender aus! Informiert lieber dezent, dass der Browser und somit das Ergebnis nicht optimal ist, aber lasst IE 6 User nicht draußen warten!
Denn wenn wir tief in uns gehen und uns ehrlich fragen, ob durch das Aussperren des IE 6
- die Welt besser wird?
- das Web besser wird?
- Der IE 6 schneller aussterben wird
dann müssen wir, oder zumindest ich diese Fragen wohl mit nein beantworten. Dies ist übrigens die gleiche Antwort, die man wahrscheinlich auf die Frage:
- Wird der User den ich eben wegen seines Browsers ausgesperrt habe jemals wieder kommen?
In diesem Sinne: http://saveie6.com/ ;-)
Natürlich lasse ich mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen. Sprich: Eure Meinung zu diesem Thema interessiert mich sehr.
Es gibt 9 Kommentare
Was gibt es sonst noch für Sonderfälle
- Offshore: Bspw. IBM als Dienstleister ist auch so ein Kandidat, der installiert auch nur den IE 6 mit den üblichen Sicherheitsupdates bei WinXP-Installationen in Firmen
- Mit dieser Browserweiche zeigt dein Kollege auch, dass er keine Ahnung von den WCAG-Richtlinien hat. Letzlich wissen die gezwungenen IE6-Nutzer, dass sie einen alten Browser besitzen und sind in der Regel mit dem Inhalt zufrieden, dass Design ist dann zweitrangig.
Jetzt kann man natürlich warten bis bei den Firmen der ROI erreicht ist und diese auf das nächste BS wechseln. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass einige User auf den Betreiber der Seite verärgert reagieren werden und diese bewusst nicht mehr besuchen.
D. Platt sagt es immer so schön: "Der User bist nicht Du"